Einleitung Erforderliche Schulungsmaßnahmen nach § 37 Abs. 6 BetrVG
Die Aufgaben, mit denen sich der Betriebsrat auseinandersetzen muss, sind breit gefächert und anspruchsvoll. Damit Betriebsratsmitglieder ihre Tätigkeit im Sinne der Beschäftigten ausüben können, benötigen sie fundiertes Fachwissen und ein hohes Maß an Kompetenz.
Viele Betriebsratsmitglieder sind nicht vollständig von ihrer regulären Arbeit freigestellt und müssen ihre Betriebsratsaufgaben zusätzlich zu ihren beruflichen Verpflichtungen bewältigen, was eine erhebliche Belastung darstellt.
Der Gesetzgeber erkennt die besonderen Anforderungen an die Betriebsratsarbeit an. Neben einem besonderen Schutz für Betriebsratsmitglieder umfasst dies auch einen Anspruch auf die notwendige Qualifizierung für ihre Tätigkeit. Dieser Weiterbildungsanspruch ist in § 37 BetrVG, insbesondere in den Absätzen 6 und 7, festgelegt.
Häufig versuchen Arbeitgeber, die durch Schulungen entstehenden Kosten oder den Zeitaufwand zu minimieren. Nicht selten werden Schulungsansprüche des Betriebsrats als unnötig oder zu teuer zurückgewiesen. Solche Ablehnungen werden oft durch formale Fehler in der Beschlussfassung begünstigt.
Gern möchten wir dabei unterstützen, solche Fehler zu vermeiden und den Anspruch des Betriebsrats auf Weiterbildung erfolgreich durchzusetzen.
Als gewerkschaftlicher Bildungsträger bietet ver.di Forum Nord ausschließlich Schulungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG an, die erforderliches Wissen vermitteln und für die der Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG die Kosten muss. Deshalb gehen wir im Folgenden nur auf die Freistellung zur Teilnahme an erforderlichen Schulungen ein.
FAQ Schulungsanspruch verstehen und durchsetzen
Unterschied zwischen Freistellung gem. § 37 Abs. 6 und § 37 Abs. 7 BetrVG
Gemäß § 37 Abs. 6 BetrVG hat der Betriebsrat Anspruch auf die Teilnahme an Schulungen und Bildungsmaßnahmen, die für die Ausübung seiner Aufgaben erforderlich sind. In diesen Fällen trägt der Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG die anfallenden Kosten.
Im Gegensatz dazu legt § 37 Abs. 7 BetrVG die Bedingungen für die Teilnahme an geeigneten Schulungs- und Bildungsmaßnahmen fest, in denen Hintergrundwissen vermittelt wird. Für die Teilnahme an solchen Veranstaltungen ist der Arbeitgeber zwar verpflichtet, das Entgelt fortzahlen, jedoch übernimmt er keine zusätzlichen mit dem Seminar verbundenen Kosten.
Ob in einem Seminar erforderliches oder lediglich geeignetes Wissen vermittelt wird, ist nicht immer einfach zu beurteilen. So kann z.B. ein Seminar zum Thema „Verhandlungsführung“ unter bestimmten Voraussetzungen für Betriebsratsvorsitzende erforderlich sein, während es für andere Mitglieder lediglich geeignet ist.
Grundlagenschulungen
Die Teilnahme von erstmalig gewählten Betriebsratsmitgliedern an Schulungen, die Grundkenntnisse im Betriebsverfassungsrecht, im allgemeinen Arbeitsrecht oder auch im Arbeitsschutzrecht vermitteln, müssen nicht näher begründet werden. Durch die Vermittlung dieses Grundwissens wird das Betriebsratsmitglied in die Lage versetzt, seine Rechte und Pflichten ordnungsgemäß wahrzunehmen.
Nur in besonderen Einzelfällen ist eine Teilnahme an einer Grundlagenschulung nicht erforderlich, z.B. dann, wenn langjährige im Betriebsrat tätige Betriebsratsmitglieder bereits über die erforderlichen Kenntnisse verfügen.
Spezialschulungen
Für die Teilnahme an Schulungen, die Spezialwissen vermitteln (z.B. Digitalisierung, Verhandlungsführung, Gefährdungsbeurteilung, Konflikte mit dem Arbeitgeber, Rhetorik u.a.) ist die Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse im Betrieb erforderlich.
Ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zur Teilnahme an einer Schulung muss in einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung (§ 30 BetrVG) gefasst werden. Dazu gehört die Mitteilung der Tagesordnung und die Rechtzeitigkeit der Ladung. Bei der Beschlussfassung selbst sind die Regelungen des § 33 BetrVG zu beachten:
- Die Beschlussfähigkeit muss vorliegen
- Der Beschluss über die Teilnahme ist mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder zu fassen.
- Das Betriebsratsmitglied, um dessen Teilnahme es geht, kann mit stimmen.
Es muss ein aktueller betriebsbezogener Anlass bestehen, z.B. bevorstehende Umstrukturierungsmaßnahmen, Einführung von KI, die geplante Einführung eines neuen Arbeitszeitsystems u.a.
Entsendung zu einer Schulung / Beschluss des Betriebsrats
Für die Teilnahme an einer Schulung muss der Betriebsrat zwingend einen wirksamen Entsendebeschluss fassen. Ansonsten kann der Arbeitgeber die Freistellung und Kostenübernahme verweigern.
Der für die Schulungsteilnahme erforderliche Beschluss muss auf ein konkretes BR-Mitglied und auf eine konkrete, nach Zeitpunkt und Ort bestimmte Schulung bezogen sein.
Bei der Festlegung der zeitlichen Lage hat der BR die betrieblichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen (nicht bei freigestellten BR-Mitgliedern) und dem Arbeitgeber die Teilnahme und zeitliche Lage der Schulungsmaßnahme rechtzeitig bekannt zu geben. Rechtzeitig bedeutet, der Arbeitgeber hat die Möglichkeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung einer bezahlten Freistellung vorliegen und, falls er die betrieblichen Belange für nicht ausreichend berücksichtigt hält, die Einigungsstelle anzurufen.
Musterformulare zur Beschlussfassung und zur Mitteilung an den Arbeitgeber gibt es unten auf dieser Seite.
Schulungsträger
Es gibt viele Seminaranbieter, die Schulungsmaßnahmen für Betriebsratsmitglieder anbieten. Hohe fachliche und praktische Kompetenz bieten vor allem Anbieter wie ver.di-Forum Nord. Als gewerkschaftlicher Bildungsträger wird Wissen „aus der Praxis für die Praxis“ vermittelt und die gewerkschaftliche Unterstützungsfunktion der Betriebsratsarbeit ist rechtlich abgesichert und allgemein anerkannt.
Der Betriebsrat ist bei vergleichbaren Seminarinhalten nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen.
Er muss nicht die kostengünstigste Veranstaltung auswählen, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält. Zudem ist das Kostenargument – wenn überhaupt – nur bei gleichzeitig angebotenen Schulungen zu berücksichtigen.
Die Entscheidung des Betriebsrats für einen gewerkschaftlichen Bildungsanbieter hält sich innerhalb seines Beurteilungsspielraums und ist nicht zu beanstanden.
Schulungsdauer
Die Dauer für den zeitlichen Umfang von Schulungen ist am Grundsatz der Erforderlichkeit zu messen. Prinzipiell gilt: Die Dauer einer einzelnen Schulungsmaßnahme hängt im Wesentlichen von den dort zu vermittelnden Inhalten ab und ergibt sich aus der sachlichen Notwendigkeit. So können in der Regel mehrere aufeinander aufbauende Grundlagenschulungen zum Betriebsverfassungs- und Arbeitsrecht (z.B. BR 1 bis 4 und Arbeitsrecht 1 bis 3) mit einer jeweiligen Dauer von fünf Tagen besucht werden.
Entgeltfortzahlung
Es besteht für die Zeit der Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts. Es ist das Entgelt einschließlich aller Zulagen und Zuschläge zu zahlen. Auch Überstunden müssen bezahlt werden, wenn in der Zeit der Teilnahme im Betrieb Überstunden anfallen und das an der Schulung teilnehmende Betriebsratsmitglied diese sonst geleistet hätte.
Kosten
Die durch die Teilnahme an einer Schulung gem. § 37 Abs. 6 BetrVG entstehenden Kosten, muss der Arbeitgeber tragen (§ 40 Abs. 1 BetrVG).
Zu den nach dieser Vorschrift zu erstattenden Kosten gehören die Kosten der Schulung, wie die Seminargebühren des Schulungsveranstalters sowie die notwendigen Kosten für Reise, Übernachtung und Verpflegung. Gilt im Betrieb eine zumutbare allgemeine Reisekostenregelung, gilt diese nach Auffassung des BAG auch für Schulungen gem. § 37 Abs. 6 BetrVG – allerdings nur insoweit, als die entstehenden Kosten vom Betriebsratsmitglied beeinflusst werden können. Sind die Tagessätze des Veranstalters einer Schulung höher als die der betrieblichen Reisekostenregelung und somit vom Betriebsratsmitglied nicht beeinflussbar, hat der Arbeitgeber die höheren Tagessätze des Veranstalters zu erstatten.
Stellt sich der Arbeitgeber auf den Standpunkt, die Schulung sei im Verhältnis zu Schulungen anderer Anbieter zu teuer oder die Reisekosten zu einem weiter entfernten Ort seien nicht erstattungsfähig, weil eine näher gelegene Schulungsstätte das gleiche Seminar anbiete, kommt der dem Betriebsrat zustehende Beurteilungsspielraum zum Tragen. Die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung unterliegt dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Der Betriebsrat ist danach unter anderem gehalten, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf. Bei der Prüfung der Angemessenheit hat der Betriebsrat somit die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht.
Der Betriebsrat muss allerdings nicht mit einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter ermitteln und muss sich auch nicht für die kostengünstigste Schulungsveranstaltung entscheiden. Er kann sich u.a. darauf berufen, dass ver.di Forum Nord als gewerkschaftlicher Anbieter über eine langjährige Erfahrung mit Betriebsräteschulungen und ein entsprechendes Qualitätskonzept verfügt. Eingesetzt werden ausschließlich erfahrene Lehrkräfte und Expertinnen auf den entsprechenden Fachgebieten.
Ersatzmitglieder
Ersatzmitglieder, die häufiger und in einer gewissen Regelmäßigkeit Betriebsratsmitglieder vertreten, haben grundsätzlich Anspruch auf Schulungsmaßnahmen. Dies muss der Betriebsrat gut begründen (z.B. Langzeiterkrankung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds, einköpfiger Betriebsrat, etc.). Die Erforderlichkeit ergibt sich aus der notwendigen Gewährleistung der Arbeitsfähigkeit des Betriebsrats.
Arbeitszeit
Die Teilnahme an Schulungen zählt grundsätzlich als Arbeitszeit. Eine Teilzeitbeschäftigung schränkt den Anspruch auf Schulungen zeitlich nicht ein. Auch teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder können an Schulungen in Vollzeit teilnehmen.
Nehmen Betriebsratsmitglieder – unabhängig von ihrem Beschäftigungsumfang – an Schulungen teil, die aus betrieblichen Gründen außerhalb ihrer regulären Arbeitszeit stattfinden, haben sie gemäß § 37 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 BetrVG Anspruch auf einen Freizeitausgleich. Dies betrifft beispielsweise Schulungen an Tagen, an denen das Betriebsratsmitglied aufgrund eines betrieblichen Arbeitszeitmodells frei hätte. Ähnliche Regelungen gelten bei Schichtarbeit oder Gleitzeit. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Betriebsratsmitglieder durch unterschiedliche Arbeitszeitmodelle nicht benachteiligt werden.
Für vollzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder besteht jedoch kein Anspruch auf Freizeitausgleich, wenn die Schulungszeit die reguläre tägliche Arbeitszeit überschreitet (vgl. Fitting, 31. Aufl., § 37 Rn. 192). Bei teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern ist der Anspruch auf Freizeitausgleich auf die betriebsübliche Arbeitszeit von Vollzeitkräften begrenzt, selbst wenn die Schulung länger dauert.
Einspruchsrechte des Arbeitgebers
Ist der Arbeitgeber der Auffassung, dass die betrieblichen Notwendigkeiten nicht (ausreichend) berücksichtigt wurden, muss er die Einigungsstelle zur Entscheidung anrufen.
Das Gesetz schreibt dafür keine Frist vor. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Anrufung innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen hat (vgl. Fitting, 31. Aufl., § 37 Rn. 244).
Ruft der Arbeitgeber die Einigungsstelle nicht an, bleibt der Betriebsratsbeschluss wirksam.
Bei freigestellten Betriebsratsmitgliedern kann der Arbeitgeber seine Ablehnung der Teilnahme nicht auf eine nicht ausreichende Berücksichtigung betrieblicher Notwendigkeiten stützen, da diese bei vorliegender Freistellung grundsätzlich nicht verletzt sein können.
Die Einigungsstelle darf nur darüber entscheiden, ob die betrieblichen Notwendigkeiten berücksichtigt worden sind oder nicht. Weiterführende Fragestellungen wie z.B. ob die Schulungsmaßnahme unter § 37 Abs. 6 BetrVG fällt oder ob der Betriebsratsbeschluss aus anderen Gründen rechtlich unwirksam sein könnte, fällt nicht in ihren Zuständigkeitsbereich.
Mögliche Entscheidungen und Folgen:
> Per Spruch der Einigungsstelle kann der Beschluss des Betriebsrats aufgehoben werden, wegen Nichtbeachtung bzw. nicht ausreichender Beachtung der betrieblichen Notwendigkeiten.
Folge: Das Betriebsratsmitglied kann nicht an dem beschlossenen Seminar teilnehmen.
Dies bezieht sich immer ausschließlich auf den Entsendebeschluss und den Seminarzeitraum, der Gegenstand dieser Einigungsstelle ist.
> Die Einigungsstelle kann, wenn sie den Beschluss des Betriebsrats aufhebt, selbst einen oder mehrere neue Termine zur Teilnahme an der Schulung festsetzen.
Folge: Das Betriebsratsmitglied kann zwar nicht zu dem ursprünglich gewünschten Termin an dem Seminar teilnehmen, doch für einen anderen Termin ist die ausreichende Beachtung der betrieblichen Notwendigkeiten nun schon im Vorwege geklärt.
> Der Arbeitgeber hat die Einigungsstelle rechtzeitig angerufen, diese kann aber nicht mehr rechtzeitig vor Seminarbeginn zusammentreten.
Folge: Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass eine „aufschiebende Wirkung“ eintritt: Das Betriebsratsmitglied darf dann nicht zum geplanten Zeitpunkt zur Schulung fahren (Fitting, 31. Aufl., § 37 Rn. 248). Der Betriebsrat kann dann nur noch versuchen, beim Arbeitsgericht eine einstweilige Verfügung zu erwirken, um doch noch die kurzfristige Schulungsteilnahme durch- zusetzen.
> Arbeitgeber und Betriebsrat einigen sich im Einigungsstellenverfahren auf einen anderen Termin.
Folge: Das Betriebsratsmitglied kann zwar nicht zu dem ursprünglich gewünschten Termin an dem Seminar teilnehmen, doch für einen anderen Termin ist die ausreichende Beachtung der betrieblichen Notwendigkeiten nun schon im Vorwege mit dem Arbeitgeber geeint.
Bestreitet der Arbeitgeber die Erforderlichkeit und vertritt die Auffassung, das Seminar sei nicht nach § 37 Abs. 6 BetrVG erforderlich das Arbeitsgericht zuständig.
Der Betriebsrat, das einzelne Betriebsratsmitglied oder auch der Arbeitgeber können ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren einleiten. Darin wird geklärt, ob der Arbeitgeber das Betriebsratsmitglied für die Teilnahme an dem Seminar freistellen und die Kosten tragen muss.
Die Einleitung eines solchen Verfahrens hat aber nicht zwangsläufig zur Folge, dass das Betriebsratsmitglied den Besuch der Schulung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits zurückstellen muss. Ein Beschlussverfahren kann sich über Monate hinweg erstrecken, und für den Fall, dass es um grundsätzliche Rechtsfragen mit der Möglichkeit der Anrufung des Bundesarbeitsgerichts geht, sogar über ein bis zwei Jahre. Deshalb wird in der Rechtsprechung und Literatur zu Recht weitgehend die Meinung vertreten, dass das Betriebsratsmitglied trotz eines laufenden Beschlussverfahrens zur Schulung fahren darf (LAG Hamm v. 24.10.1974; Fitting, 31. Aufl., § 37 Rn. 251).
Das gilt erst recht, wenn vor Beginn der Schulungsmaßnahme ein – noch nicht rechtskräftiger – Beschluss des Arbeitsgerichts zugunsten des Betriebsrats ergangen ist (vgl. BAG v. 06.05.1975 – 1 ABR 135/73).
Unfallschutz während der Teilnahme an der Schulung
Die Tätigkeit eines Betriebsratsmitglieds ist der „normalen“ Arbeitsleistung gleichgestellt. Deshalb ist Betriebsratsarbeit in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht eine Arbeitsleistung und es besteht Un- fallschutz
Rechtsprechung / Urteile Urteile zum Theme Schulungsanspruch
Erforderlichkeit
- Ein konkreter betriebsbezogener Anlass ist nicht Voraussetzung für die Vermittlung allgemeiner Grundkenntnisse des BetrVG und muss vom Betriebsrat nicht dargelegt werden. Dies gilt für alle erstmals gewählten Betriebsratsmitglieder sowie diejenigen, die nicht schon - sei es durch Schulungen oder langjährige Tätigkeit im Betriebsrat - über Grundkenntnisse verfügen (BAG 17.11.10 – 7 ABR 113/09: BAG 12.01.11 – 7 ABR 94/09).
- Nach § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG ist die Vermittlung von Kenntnissen erforderlich, wenn diese unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse in Betrieb und Betriebsrat notwendig sind, damit der Betriebsrat seine gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen kann (vgl. BAG v. 17.11.2021 – 7 ABR 27/20; BAG v. 14.01.2015 – 7 ABR 95/12).
- Die Verabschiedung neuer oder die grundlegende Änderung bestehender Gesetze, die für die Betriebsratsarbeit relevant sind, rechtfertigt die Teilnahme an einer Schulung (z.B. Änderungen im BetrVG aufgrund des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes vom 18.06.2021).
- Schulungen über den Inhalt von im Betrieb maßgeblichen Tarifverträgen können erforderlich sein (LAG Hamm v. 17.08.2007 – 13 TaBV 30/07). Entsprechendes kann im Einzelfall für Schulungsveranstaltungen zur aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gelten.
- Alles, was zu den konkreten Aufgaben des Betriebsrats gehört, wozu aber das notwendige Wissen noch nicht vorhanden ist, kann Gegenstand einer erforderlichen Schulungsmaßnah- me nach § 37 Abs. 6 BetrVG sein. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme hat der Betriebsrat einen Beurteilungsspielraum (BAG v. 17.11.2021 – 7 ABR 27/20; BAG v. 20.08.2014 – 7 ABR 64/12).
- Soweit mit einer Schulungsmaßnahme teils erforderliche, teils nicht erforderliche Kenntnisse für die BR-Arbeit vermittelt werden, gilt nach der Rechtsprechung des BAG: Werden im Rahmen der Schulungszeit überwiegend (mehr als 50%) erforderliche Themen behandelt, ist die gesamte Veranstaltung als erforderlich anzusehen. Es sei denn, dass die Themen klar voneinander abgegrenzt sind und ein zeitweiser Besuch der Veranstaltung möglich ist. Dies ist jedoch nur selten möglich, da die Veranstaltung nur als einheitliches Ganzes angeboten werden. In diesem Fall ist die Schulungsteilnahme nur einheitlich für die gesamte Schulung als erforderlich u beurteilen (BAG 28.09.16 – 7 AZR 699/14; LAG Thüringen 11.06.24 - 5 TaBV 24/22).
- Schulungsanspruch zum Ende der Amtszeit: Betriebsräte haben grundsätzlich einen Anspruch auf Teilnahme an Schulungen, in denen Kenntnisse vermittelt werden, die für eine verantwortungsvolle und sachgerechte Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit notwendig sind. Entscheidend ist, dass die auf dem Seminar erworbenen Kenntnisse in der laufenden Wahlperiode noch benötigt werden. Kann ein Betriebsrat bei der Beschlussfassung nicht ausschließen, dass bis zum Ende seiner Amtszeit Beteiligungssachverhalte anfallen, für die entsprechendes Wissen notwendig ist, steht einer Schulungsteilnahme nichts im Weg. Auf zeitliche Vorgaben hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung verzichtet (BAG 7.05. 2008 - 7 AZR 90/07).
Schulungsträger
- Die Erfahrung der gewerkschaftlichen Bildungsträger sowie der Gewerkschaften mit Betriebsräteschulungen prädestiniert sie als Anbieter von Wissensvermittlung für Betriebsratsmitglieder. In der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte ist anerkannt, dass solche Träger eine Gewähr für qualitativ hochwertige Schulungen bieten (s. BAG 15.05.1986 – 6 ABR 74/83; BAG 17.06.1998 – 7 ABR 25/97).
- Der Betriebsrat ist bei vergleichbaren Seminarinhalten nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen (BAG v. 28.09.2016 – 7 AZR 699/14; BAG v. 14.01.2015 – 7 ABR 95/12 19; BAG 17.11.10 – 7 ABR 113/09; LAG RP 20.5.20 – 7 TaBV 11/19).
- Der Betriebsrat muss nicht die kostengünstigste Veranstaltung auswählen, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält. Zudem ist das Kostenargument – wenn überhaupt – nur bei gleichzeitig angebotenen Schulungen zu berücksichtigen (BAG 14.1.15 – 7 ABR 95/12; BAG v. 19.03.2008 – 7 ABR 2/07 ).
- Der Wunsch eines BR, neue BR-Mitglieder von der Gewerkschaft schulen zu lassen, hält sich innerhalb seines Beurteilungsspielraums und ist nicht zu beanstanden (HessLAG 14.5.12 – 16 TaBV 226/11).
Dauer
- Mehrere einwöchige Seminare zur Vermittlung von Grundkenntnissen sind in der Rechtsprechung als erforderlich angesehen (HessLAG 14.5.12 – TaBV 226/11
Beschlussfassung
- Der beabsichtigte Entsendungsbeschluss muss als Tagesordnungspunkt der Sitzung ist, in der der Beschluss gefasst werden soll, aufgeführt sein. Die Behandlung der Entsendung unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“ ist grundsätzlich unzulässig (BAG v. 28.10.1992 – 7
ABR 14/92). - Eine fehlende oder unvollständige Tagesordnung kann jedoch laut Rechtsprechung des BAG (15.04.2014 – 1 ABR 2/13) „geheilt“ werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Ordnungsgemäße Ladung sämtlicher Betriebsrats- und
Ersatzmitglieder - Beschlussfähigkeit des Betriebsrats gem. § 33 Abs. 2 BetrVG
- Einstimmiger Beschluss der anwesenden Betriebsratsmitglieder, über
den Regelungsgegenstand zu beraten und abzustimmen.
- Ordnungsgemäße Ladung sämtlicher Betriebsrats- und
Seminarformat
- Dem Betriebsrat/Personalrat steht die Entscheidung zu, ob er an
erforderlichen Schulungsmaßnahmen in einem Präsenzseminar oder
Webinar teilnehmen will.
Das BAG stellte klar, dass die Personalvertretung sich nicht auf ein
Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung verweisen lassen musste.
Ebenso wie ein Betriebsrat habe die Personalvertretung bei der
Beurteilung, zu welchen Schulungen sie ihre Mitglieder entsendet, einen
gewissen Spielraum. Dieser umfasse grundsätzlich auch das
Schulungsformat. Dabei stehe dem nicht entgegen, dass bei einem
Präsenzseminar im Hinblick auf die Übernachtung und Verpflegung der
Schulungsteilnehmenden regelmäßig höhere Kosten anfallen würden als
bei einem Webinar (BAG 7.02.24 - 7 ABR 8/23; Vorinstanz: LAG
Düsseldorf 24.11.22 - 8 TaBV 59/21).
Entgeltfortzahlung und Kosten
- Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts und der
Kostenübernahme entfällt nicht bei unterlassener oder nicht
rechtzeitiger Unterrichtung des Arbeitgebers durch den Betriebsrat, bei
Nichtvorlage des Lehrplans oder bei nicht korrekter Bezeichnung des
Lehrgangs, sofern das Betriebsratsmitglied dennoch an der
Schulungsveranstaltung teilnimmt und die übrigen Voraussetzungen
vorliegen. Die ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitgebers ist
keine zusätzliche Anspruchsvoraussetzung (LAG BaWü, AiB 88, 282). - Das Betriebsratsmitglied hat Anspruch auf das Arbeitsentgelt
einschließlich aller Nebenbezüge, wie z.B. Erschwernis- und
Schichtzulagen, Prämie für regelmäßige Mehrarbeit, Zuschläge für
Mehr-, Nacht- und Sonntagsarbeit, etc., so als wenn das
Betriebsratsmitglied im Betrieb gearbeitet hätte (LAG Hamm, DB 88,
2058; BAG) - Die Kosten für Reise, Verpflegung und Übernachtung gehören zu den zu
erstattenden Kosten (BAG 27.5.15 – 7 ABR 26/113; BAG 14.01.15 – 7
ABR 95/12). - Aufwendungen für die persönliche Lebensführung (z.B. abendliche
Getränke und Tabakwaren) sind nach der Rechtsprechung von den
Teilnehmenden selbst zu tragen und nicht erstattungsfähig (vgl. BAG v.
28.06.1995 – 7 ABR 55/94) - Hat der Betrieb eine verbindliche Reisekostenregelung, ist diese auch
für Reisen von Betriebsratsmitgliedern im Rahmen ihrer
Betriebsratstätigkeit maßgebend (BAG 23.06.1975 – 1 ABR 104/73). Das
gilt aber nur insoweit, als die entstehenden Kosten vom
Betriebsratsmitglied beeinflusst werden können. Sind die Tagessätze
des Veranstalters einer Schulung höher als die der betrieblichen
Reisekostenregelung und somit vom Betriebsratsmitglied nicht
beeinflussbar, hat der Arbeitgeber die höheren Tagessätze des
Veranstalters zu erstatten (BAG 29.01.1974 – 1 ABR 41/73; ArbG Herne
19.12.2007 – 5 BV 53/07;Fitting, 31. Aufl., § 40 Rn. 54). - Die Pflicht des Arbeitgebers zur Kostentragung steht unter dem Gebot
der vertrauensvollen Zusammenarbeit. Der Betriebsrat ist danach u.a.
gehalten, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für
angemessen halten darf. (vgl. BAG v. 17.11.2021 – 7 ABR 27/20; BAG v.
24.10.2018 – 7 ABR 23/17). - Der Betriebsrat ist danach unter anderem verpflichtet, den Arbeitgeber
nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf. Bei der
Prüfung der Angemessenheit hat der Betriebsrat somit die betriebliche
Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveran- staltung
verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu
berücksichtigen und darauf zu achten, dass der Schulungszweck in
einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln
steht (vgl. BAG v. 28.09.2016 – 7 AZR 699/14).
Ersatzmitglieder
- Wenn der Betriebsrat zum Zeitpunkt des Beschlusses über die Schulungsteilnahme eines Ersatzmitgliedes davon ausgehen muss, dass das Ersatzmitglied in Zukunft häufiger als Vertretung herangezogen werden muss, kann eine Gundlagenschulung notwendig sein (LAG Hessen v. 17.01.2022 – 16 TaBV 99/21; BAG v.
19.09.2001 – 7 ABR 32/00).
Unfallschutz
- Betriebsratsmitglieder unterliegen daher auch während einer Schu- lungsveranstaltung dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nach §§ 2 ff. SGB VII – und zwar einschließlich der An- und Abreise (vgl. Fitting, 31. Aufl., § 37 Rn. 186).
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